Robert Musil Curriculum Vitae
„Viel von sich selbst zu reden gilt als dumm. Dieses Verbot wird von der Menschheit auf eigentümliche Weise umgangen: durch den Dichter!“
-Robert Musil-
Robert Musil, geboren am 6. November 1880 in Klagenfurt, gestorben am 15. April 1942 im Exil in Genf, lebte als Romancier, Essayist und Kritiker in Brünn, Berlin und Wien.
In seinen literarischen und publizistischen Werken reagierte er auf die epochalen Umwälzungen in Europa im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts und gestaltete auf der Grundlage einer naturwissenschaftlichen wie humanistischen Bildung die Revolutionen im Denken seiner Zeit literarisch aus.
Mit seinem Hauptwerk, dem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ (in Teilen 1930 und 1932 erschienen), geriet der Schriftsteller in der Zeit nach der nationalsozialistischen Machtergreifung an die Grenzen des Gestaltbaren, der Roman blieb unvollendet, an seiner Stelle hinterließ Musil ein literarisch-philosophisches Laboratorium in tausenden Manuskripten.
Curriculum vitae - Robert Musil autobiographisch
„Ich bin geboren am 6. November 1880 in der österreichischen Stadt Klagenfurt, Hauptstadt des Landes Kärnten. Mein Vater, Alfred von Musil, später durch lange Zeit bis zu seinem Tode Professor des Maschinenbaus der Technischen Hochschule in Brünn, war damals als Ingenieur in einer Fabrik tätig. Meine Kindheit habe ich aber in der alten Stadt Steyr in Oberösterreich verlebt, wohin mein Vater inzwischen übersiedelt war, um eine staatliche technische Schule zu leiten.
Als ich etwas über zehn Jahre alt war, zogen wir nach Brünn. Ich besuchte dort die Realschule weiter, die ich in Steyr, wo es kein Gymnasium gab, begonnen hatte, und ich erinnere mich, daß in seiner Weise der Eindruck nicht unbedeutend war, den ich dadurch empfing, daß ich aus der alpischen Natur kam, die Landschaft und Menschen in Steyr eigentümlich war, und mich sowohl in der sanften und etwas melancholischen Landschaft Mährens fand wie zwischen Menschen, die mir beinahe noch fremder vorkamen, wenn sie Sudetendeutsche waren, mit denen ich sprach, als zu den Tschechen gehörten, neben denen wir ohne Berührung herlebten.
Ich muß hier einschalten, daß ich selbst zur Hälfte sudetendeutscher Abkunft bin und zu einem Viertel, worauf auch mein Name hinweist, tschechischer. Die Musil, von denen ich stamme, sind ein sehr altes tschechisches Bauerngeschlecht in Mähren, aber mein Großvater war ausgewandert, Arzt geworden und hatte bei Graz ein Landgut erworben, auf dem mein Vater und seine Geschwister als unverkennbare Grazer aufgewachsen waren, beinahe ohne etwas von ihrer Herkunft zu wissen. Meine Vatersmutter stammte aus Salzburg.
Meine eigene Mutter aus Linz an der Donau, der Hauptstadt Oberösterreichs. Ihr Vater war dahin beim Bau der ersten europäischen Eisenbahn, der zwischen Linz und Budweis, aus Böhmen gekommen und als Leiter dieser Bahn dort geblieben, auch noch im Ruhestand und bis zu seinem Tode; auch seine Frau, meine Muttersmutter, stammte aus Deutschböhmen. Ihrer beider Familien, Bergauer und Böhm, beide auch geadelt, hatten gerade so wie sie den Zusammenhang mit der Heimat verloren und sich über das ganze Gebiet der Monarchie zerstreut. So war es ein Zufall, der uns in die Nähe des Ausgangspunktes zurückführte; keinerlei Überlieferung und Wunsch verband meine Eltern mit ihm, und sie waren nicht froh darüber, daß sie ihr Schicksal von dort nicht mehr fortließ.
Ich selbst bin mit ungefähr zwölf Jahren von beiden wieder fortgekommen und in einem Offizierserziehungsinstitut untergebracht worden. Die Gründe dazu will ich übergehen und führe nur an, daß einer darunter der dringende Wunsch des ungebärdigen Knaben war, der sich etwas großmannssüchtig mit schon gewonnener Selbständigkeit schmeichelte, wenn er der milden elterlichen Aufsicht entrückt würde. Denn gerade dieser affektive Antrieb sollte alsbald seinem weit stärkern Gegenteil Platz machen.“